Tiegelfreies berührungsloses Schmelzen

Das tiegelfreie Schmelzen ist eine Verfahrenstechnik zur Her­stel­lung von hoch­reinen Legie­run­gen für physi­kali­sche, chemische oder analytische An­wen­dungen.

KWT Schmelze TiAl6V4

Mit diesem Verfahren werden Le­gie­run­gen aus be­son­ders reak­tiven Werk­stoffen, wie z.B. Titan, für den Prä­zisions­guss hoch­fester Teile für medi­zi­nische Implan­tate (auch in der Dental­technik) sowie Fein­guss-Bau­teilen für Luft- und Raum­fahrt herge­stellt, wenn der Werk­stoff mit Tiegel­wänden che­misch rea­giert oder durch diese ver­un­rei­nigt wird. Weiter­hin wird das Ver­fahren zum Schmelzen von Mate­ria­lien verwendet, für die es auf Grund der hohen Schmelz­tempe­ratur keine geeig­neten Tiegel­werk­stoffe gibt.

Das Verfahren verhindert den Kontakt der Schmelze mit der Tiegel­wand oder der sie be­decken­den Engobe, um che­mische Reak­tio­nen mit dieser zu ver­hindern. Weiter­hin verhin­dert das tiegel­freie Schmel­zen eine Ver­schmut­zung der Schmelze durch den Ein­schluss von Par­tikeln. Bei der Wieder­erstar­rung der Schmelze löst die Tiegel­wand durch Keim­bildung einen unkon­trol­lier­ten Erstar­rungs­pro­zess aus, welcher zu nicht­repro­duzier­baren Eigen­schaften des Werk­stoffes führen kann. Durch das tiegel­freie Schmelzen können die Unter­kühlungs- und Erstar­rungs­pro­zesse gesteuert werden, was eine Kon­trolle der Kris­tall­struk­tur er­möglicht.

Es sind drei Verfahren zum tiegelfreien Schmelzen be­kannt. Bei allen drei Ver­fahren wird wegen des höhe­ren Wir­kungs­gra­des die induk­tive Heizung bevor­zugt. Der Unter­schied besteht in dem verwen­deten Levi­tations­ver­fahren. Es wird eine Levi­tations­kraft als Gegen­kraft zur Schwer­kraft benötigt, um zunächst den Werkstoff und dann die Schmelze von einer Unter­lage oder dem Tiegel abzu­heben und stabil in dem elektro­magne­tischen Feld der Induk­tions­spule zu halten. Die Levi­tations­kraft muss eine zusätz­liche Kraft­kompo­nente enthalten, welche die ab­stos­sende elektro­moto­rische Kraft der Induk­tions­spule kompen­siert.
 

Akustisch positionierendes Schwebeschmelzen

Das akustisch positionierende Schwebeschmelzen arbeitet mit einer Levi­tations- und Positio­nie­rungs­kraft, welche durch sich über­lagernde Schall­wellen in einem kom­primier­ten Gas erzeugt wird. Vorteil des Ver­fahrens ist die völlige Rück­wir­kungs­frei­heit der so erzeug­ten Levi­tations­kraft mit der elektro­moto­rischen Kraft, die von der induk­tiven Heizung erzeugt wird. Weiter­hin wirkt diese Kraft auch auf elek­trisch nicht­lei­tende Werk­stoffe, die dann aller­dings auch nicht induktiv erwärmt werden können.

Nachteilig für viele Prozesse ist die Abhängig­keit des Verfah­rens von der Anwesen­heit eines Gases, durch dessen un­vermeid­bare Ver­unrei­nigun­gen und Wärme­leit­fähig­keit viele inte­res­sante Prozesse, wie z.B. die Unter­kühlung der Schmelze zur Her­stellung amorpher Metalle oder den Titan­guss unmöglich macht.

Das akustisch positionierende Schwebeschmelzen ist die erste Wahl für material­wissen­schaft­liche Unter­suchungen an schlecht elek­trisch leit­fähigen Werk­stoffen, wie Gläsern, Kerami­ken und einigen Halbleitern.
 

Elektromagnetisch positionierendes Schwebeschmelzen

Das elektromagnetisch positionierende Schwebeschmelzen ar­bei­tet mit einem elektro­mag­ne­tischen Feld als Tiegel­ersatz, wel­ches aus der Über­lage­rung von mindes­tens zwei Teil­feldern unter­schied­licher Frequenz oder Phase besteht. In diesem Feld wird der Werk­stoff levitiert, geschmolzen, die Schmelze durch die elektro­motori­schen Kräfte durch­mischt sowie ggf. in der Schwebe wieder­er­starrt.

Schwebeschmelzen mit Gegenwindung

Durch eine ent­spre­chen­de Steue­rung der Kompo­nenten des elektro­magne­tischen Feldes wird die Schmelze levitiert, positio­niert sowie die Tempe­ratur - relativ unab­hängig von der sich tempe­ratur­abhän­gig ändern­den elek­tri­schen Leit­fähig­keit des Werk­stoffes - geregelt. Vorteil ist, dass das elek­tro­mag­ne­tisch po­sitio­nie­ren­de Schwe­be­schmel­zen im Hoch­vakuum ge­nau­so arbeitet wie unter hohem Gas­druck, was viel­fältig­ste Möglich­keiten der Prozess­steue­rung zulässt. Weiter­hin ist durch die hoch­reinen Prozess­bedin­gun­gen eine maximale Unter­kühlung der Schmelze möglich, was zu extrem hohen Erstar­rungs­geschwin­dig­keiten führt. Die Er­star­rungs­rich­tung kann sehr leicht durch einen mecha­ni­schen oder elektro­magne­tischen Trigger beein­flusst werden.

Noch höhere Erstarrungsgeschwindigkeiten lassen sich durch einen nach­geschal­teten Splat-Cooler erreichen. Hier wird die unter­kühlte oder nicht­unter­kühlte Probe von zwei wasser­gekühlten Kupfer­stem­peln mechanisch zusam­men­ge­presst (gesplattet), um eine maximale Ab­kühlungs­rate zu erreichen. Das Ver­fahren arbeitet zu jeder Zeit 100% tiegel­frei und ohne atmo­sphä­rische Ein­flüsse.

Nachteilig ist die relativ niedrige maximale Masse des er­schmol­zenen Werk­stoffes, welche durch die Schwer­kraft und die Visko­sität der Schmelze limitiert wird.

Das elektromagnetisch positionierende Schwebeschmelzen ist die erste Wahl für mate­rial­wissen­schaft­liche Unter­suchun­gen an Metallen.

Schaltflaeche Schwebeschmelzen

 
Schmelzen im Kaltwandtiegel

Kaltwandtiegel mit Schmelze

Das Kaltwandtiegel-Verfahren - Cold-Wall-Crucible - wurde in den 60ern in Sella­field ent­wickelt. Der klassi­sche Kalt­wand­tie­gel be­steht aus einer ring­förmigen Pali­saden­wand aus wasser­ge­kühl­ten Kupfer­ele­men­ten. Diese stehen sehr eng neben­ein­ander, be­rüh­ren sich aber gegen­seitig nicht. Der Bo­den be­steht entweder aus einer wasser­ge­kühl­ten Kupfer­platte oder er ist ebenfalls seg­men­tiert und mit den darüber­befind­lichen Pali­saden­seg­menten verbunden.

Die elektromagnetischen Felder der Seg­mente addieren sich auf den Innen- und Aussen­seiten der Palisade. Das elektro­magne­tische Feld ist der Wand­geo­metrie des Kalt­wand­tiegels angepasst und formt damit einen elektro­magne­tischen Tiegel. Der Kalt­wand­tiegel dient also als mecha­nische Stütze des elektro­mag­netischen Feldes.

Der wesentliche Vorteil dieser Methode ist die sehr grosse pro­zessier­bare Werk­stoff­masse. Nach­teilig ist der niedrige Wirkungs­grad von maximal 40% der Gene­rator­leis­tung, was relativ hohe Inves­titions- und Energie­kosten nach sich zieht. Weiter­hin ist der Werk­stoff- / Tiegel­kontakt beim Auf­schmelzen und Erstarren sowie an den Segment­fugen des Tiegels nicht ganz aus­zu­schliessen.

Das Kaltwandtiegel-Verfahren ist die erste Wahl, wenn es um das Pro­zes­sieren von Massen geht, welche grösser als Labor­proben sind.

Schaltflaeche Kaltwandtiegel

 


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