Das tiegelfreie Schmelzen ist eine Verfahrenstechnik zur Herstellung von hochreinen Legierungen für physikalische, chemische oder analytische Anwendungen.
Mit diesem Verfahren werden Legierungen aus besonders reaktiven Werkstoffen, wie z.B. Titan, für den Präzisionsguss hochfester Teile für medizinische Implantate (auch in der Dentaltechnik) sowie Feinguss-Bauteilen für Luft- und Raumfahrt hergestellt, wenn der Werkstoff mit Tiegelwänden chemisch reagiert oder durch diese verunreinigt wird. Weiterhin wird das Verfahren zum Schmelzen von Materialien verwendet, für die es auf Grund der hohen Schmelztemperatur keine geeigneten Tiegelwerkstoffe gibt.
Das Verfahren verhindert den Kontakt der Schmelze mit der Tiegelwand oder der sie bedeckenden Engobe, um chemische Reaktionen mit dieser zu verhindern. Weiterhin verhindert das tiegelfreie Schmelzen eine Verschmutzung der Schmelze durch den Einschluss von Partikeln. Bei der Wiedererstarrung der Schmelze löst die Tiegelwand durch Keimbildung einen unkontrollierten Erstarrungsprozess aus, welcher zu nichtreproduzierbaren Eigenschaften des Werkstoffes führen kann. Durch das tiegelfreie Schmelzen können die Unterkühlungs- und Erstarrungsprozesse gesteuert werden, was eine Kontrolle der Kristallstruktur ermöglicht.
Es sind drei Verfahren zum tiegelfreien Schmelzen bekannt. Bei allen drei Verfahren wird wegen des höheren Wirkungsgrades die induktive Heizung bevorzugt. Der Unterschied besteht in dem verwendeten Levitationsverfahren. Es wird eine Levitationskraft als Gegenkraft zur Schwerkraft benötigt, um zunächst den Werkstoff und dann die Schmelze von einer Unterlage oder dem Tiegel abzuheben und stabil in dem elektromagnetischen Feld der Induktionsspule zu halten. Die Levitationskraft muss eine zusätzliche Kraftkomponente enthalten, welche die abstossende elektromotorische Kraft der Induktionsspule kompensiert.
Das akustisch positionierende Schwebeschmelzen arbeitet mit einer Levitations- und Positionierungskraft, welche durch sich überlagernde Schallwellen in einem komprimierten Gas erzeugt wird. Vorteil des Verfahrens ist die völlige Rückwirkungsfreiheit der so erzeugten Levitationskraft mit der elektromotorischen Kraft, die von der induktiven Heizung erzeugt wird. Weiterhin wirkt diese Kraft auch auf elektrisch nichtleitende Werkstoffe, die dann allerdings auch nicht induktiv erwärmt werden können.
Nachteilig für viele Prozesse ist die Abhängigkeit des Verfahrens von der Anwesenheit eines Gases, durch dessen unvermeidbare Verunreinigungen und Wärmeleitfähigkeit viele interessante Prozesse, wie z.B. die Unterkühlung der Schmelze zur Herstellung amorpher Metalle oder den Titanguss unmöglich macht.
Das akustisch positionierende Schwebeschmelzen ist die erste Wahl für materialwissenschaftliche Untersuchungen an schlecht elektrisch leitfähigen Werkstoffen, wie Gläsern, Keramiken und einigen Halbleitern.
Das elektromagnetisch positionierende Schwebeschmelzen arbeitet mit einem elektromagnetischen Feld als Tiegelersatz, welches aus der Überlagerung von mindestens zwei Teilfeldern unterschiedlicher Frequenz oder Phase besteht. In diesem Feld wird der Werkstoff levitiert, geschmolzen, die Schmelze durch die elektromotorischen Kräfte durchmischt sowie ggf. in der Schwebe wiedererstarrt.
Durch eine entsprechende Steuerung der Komponenten des elektromagnetischen Feldes wird die Schmelze levitiert, positioniert sowie die Temperatur - relativ unabhängig von der sich temperaturabhängig ändernden elektrischen Leitfähigkeit des Werkstoffes - geregelt. Vorteil ist, dass das elektromagnetisch positionierende Schwebeschmelzen im Hochvakuum genauso arbeitet wie unter hohem Gasdruck, was vielfältigste Möglichkeiten der Prozesssteuerung zulässt. Weiterhin ist durch die hochreinen Prozessbedingungen eine maximale Unterkühlung der Schmelze möglich, was zu extrem hohen Erstarrungsgeschwindigkeiten führt. Die Erstarrungsrichtung kann sehr leicht durch einen mechanischen oder elektromagnetischen Trigger beeinflusst werden.
Noch höhere Erstarrungsgeschwindigkeiten lassen sich durch einen nachgeschalteten Splat-Cooler erreichen. Hier wird die unterkühlte oder nichtunterkühlte Probe von zwei wassergekühlten Kupferstempeln mechanisch zusammengepresst (gesplattet), um eine maximale Abkühlungsrate zu erreichen. Das Verfahren arbeitet zu jeder Zeit 100% tiegelfrei und ohne atmosphärische Einflüsse.
Nachteilig ist die relativ niedrige maximale Masse des erschmolzenen Werkstoffes, welche durch die Schwerkraft und die Viskosität der Schmelze limitiert wird.
Das elektromagnetisch positionierende Schwebeschmelzen ist die erste Wahl für materialwissenschaftliche Untersuchungen an Metallen.
Das Kaltwandtiegel-Verfahren - Cold-Wall-Crucible - wurde in den 60ern in Sellafield entwickelt. Der klassische Kaltwandtiegel besteht aus einer ringförmigen Palisadenwand aus wassergekühlten Kupferelementen. Diese stehen sehr eng nebeneinander, berühren sich aber gegenseitig nicht. Der Boden besteht entweder aus einer wassergekühlten Kupferplatte oder er ist ebenfalls segmentiert und mit den darüberbefindlichen Palisadensegmenten verbunden.
Die elektromagnetischen Felder der Segmente addieren sich auf den Innen- und Aussenseiten der Palisade. Das elektromagnetische Feld ist der Wandgeometrie des Kaltwandtiegels angepasst und formt damit einen elektromagnetischen Tiegel. Der Kaltwandtiegel dient also als mechanische Stütze des elektromagnetischen Feldes.
Der wesentliche Vorteil dieser Methode ist die sehr grosse prozessierbare Werkstoffmasse. Nachteilig ist der niedrige Wirkungsgrad von maximal 40% der Generatorleistung, was relativ hohe Investitions- und Energiekosten nach sich zieht. Weiterhin ist der Werkstoff- / Tiegelkontakt beim Aufschmelzen und Erstarren sowie an den Segmentfugen des Tiegels nicht ganz auszuschliessen.
Das Kaltwandtiegel-Verfahren ist die erste Wahl, wenn es um das Prozessieren von Massen geht, welche grösser als Laborproben sind.